SKW Schwarz | Kanzleiprofil
Vereinbaren ein Kreditinstitut und ein privater Kreditnehmer eine Anschlusszinsvereinbarung per Telefon, Brief, Fax oder E-Mail, so kann der Kreditnehmer diese Vereinbarung nicht unter Hinweis auf die Europäische Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen widerrufen.
Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) gab heute in einem Vorabentscheidungsverfahren des Landgerichts Kiel (C-639/18) der von SKW Schwarz vertretenen Sparkasse Südholstein Recht und bestätigte damit zugleich die Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hatte bereits im Januar 2019 in einem Beschluss vertreten, es sei offenkundig, dass nach Auslegung des EU-Rechts beim Abschluss einer Anschlusszinsvereinbarung auch in Ansehung der Fernabsatzrichtlinie 2002/65/EG kein eigenständiges Widerrufsrecht bestünde (Az. XI ZR 202/18).
Der EuGH entschied nun, dass eine Änderungsvereinbarung zu einem Darlehensvertrag dann nicht unter den Begriff „Finanzdienstleistungen betreffender Vertrag“ im Sinne der EU-Richtlinie zum Fernabsatz von Finanzdienstleistungen fällt, wenn durch sie lediglich der ursprünglich vereinbarte Zinssatz geändert wird, der Darlehensvertrag im übrigen aber unverändert fortbesteht.
„Der EuGH bestätigt damit, dass eine bloße Anschlusszinsvereinbarung selbst dann kein eigenständiges Widerrufsrecht auslösen kann, wenn die Zinsvereinbarung nicht vor Ort im Kreditinstitut geschlossen wird, sondern per Telefax, E-Mail oder anderen Fernkommunikationsmitteln“, erklärt Frank van Alen, Partner von SKW Schwarz in Hamburg und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, der die Sparkasse Südholstein vertritt. „Damit ist klargestellt, dass der Verbraucher nur bei Abschluss des ursprünglichen Darlehensvertrages ein Widerrufsrecht hat, nicht aber bei späteren Anpassungen der Konditionen desselben.“
In dem entschiedenen Fall hatte eine private Kreditnehmerin in den Jahren 1994 und 1999 drei Immobilienkreditverträge mit der Sparkasse Südholstein geschlossen. Darin war jeweils vereinbart, dass die Parteien für die Zeit nach Ablauf der anfänglichen Zinsbindungsfrist über den danach maßgeblichen Festzinssatz für einen festzulegenden Anschlusszeitraum verhandeln; ansonsten sollte ein variabler Zinssatz gelten. In allen drei Fällen passten die Parteien die Verzinsung in den Jahren 2008 bis 2010 teils mehrfach durch Anschlusszinsvereinbarungen an. Diese tauschten sie dabei jeweils per Telefax und Brief aus.
2015 widerrief die Kreditnehmerin diese Anschlusszinsvereinbarungen und erhob darauf später Klage. Unter Berufung auf die Fernabsatzrichtlinie vertrat sie die Ansicht, die Anschlusszinsvereinbarungen seien unwirksam, weil die Sparkasse sie bei deren Abschluss nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt habe. Die Vereinbarungen seien deshalb rückabzuwickeln und die Kreditnehmerin müsse nur den vormals gültigen variablen Zinssatz tragen.
Die Sparkasse hielt entgegen, der Kundin stehe kein Widerrufsrecht zu, da eine Anschlusszinsvereinbarung keine gesonderte Finanzdienstleistung der Sparkasse zum Inhalt habe. Die Anschlusszinsvereinbarungen seien vielmehr bereits in den ursprünglichen Darlehensverträgen angelegt gewesen und könnten deshalb nicht gesondert widerrufen werden.