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Die Pandemiesituation hat für die Unternehmen in Deutschland eine Reihe neuer Pflichten und Fürsorgeaufgaben geschaffen. So schreibt die im Januar 2021 in Kraft getretene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung in ihrer aktuellsten Fassung den Unternehmen Maßnahmen zur Kontaktreduzierung im Betrieb, betriebliche Hygienekonzepte, die Pflicht zur Bereitstellung und zum Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken und insbesondere die Pflicht des Arbeitgebers vor, denjenigen Arbeitnehmern, die nicht ausschließlich zuhause arbeiten, mindestens zweimal pro Kalenderwoche einen kostenlosen Test anzubieten (§§ 2 bis 4 Corona-ArbSchV). Viele dieser Maßnahmen setzen am Impfstatus der Arbeitnehmer an, d.h. Unternehmen könnten zahlreiche Erleichterungen für geimpfte und genesene Arbeitnehmer einplanen, wenn sie nur wüssten, welche Arbeitnehmer dies betrifft. Um Mitarbeiter und Kunden besser vor der höheren Infektionslast der ungeimpften Arbeitnehmer schützen zu können, würden sie gerne den Impfstatus ihrer Arbeitnehmer abfragen.
Erlaubt das Gesetz eine allgemeine Abfrage des Impfstatus durch Arbeitgeber?
Die weitaus überwiegende Meinung, insbesondere auf Seiten der Datenschutzaufsichtsbehörden aller Bundesländer, lehnt bisher aus datenschutzrechtlichen Gründen eine allgemeine Berechtigung des Arbeitgebers zur Abfrage und Speicherung des Impfstatus der Arbeitnehmer ab. Wenn Arbeitnehmer freiwillig und ungefragt ihren Impfstatus mitteilen, darf dieses Datum unter Umständen gespeichert werden. Der Arbeitgeber darf aber eben nicht danach fragen. Zur Begründung verweisen die Behörden darauf, dass die Angabe des Impfstatus eine besonders sensible Gesundheitsinformation im Sinne des Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) darstellt. Um zu begründen, warum er nicht geimpft ist, könnte der Arbeitnehmer sich z.B. gezwungen sehen, eine Krankheit offenzulegen, die ihn an der Impfung hindert. Schon die Frage danach würde daher einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen.
Zugleich hat sich der Gesetzgeber bisher nicht entschließen können, eine allgemeine Impfpflicht oder Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der Information über den Impfstatus zu formulieren. § 23a und § 36 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (InfSchG) formulieren die ausnahmsweise Befugnis zur Erhebung des Impfstatus zu Zwecken der Pandemiebekämpfung, soweit dies zur Verhinderung der Krankheitsverbreitung erforderlich ist. Das betrifft aber nur eine abschließend aufgezählte Liste von Unternehmensbereichen, zu denen z. B. Krankenhäuser und Tageskliniken, Schulen und Kindertageseinrichtungen, Massenunterkünfte, Justizvollzugsanstalten und Pflegeeinrichtungen zählen. In einigen Bundesländern sehen die entsprechenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen vor, dass Veranstaltungen oder Messen nur nach dem 2G Modell (d.h. mit Geimpften und Genesenen) durchgeführt werden dürfen. In diesen Fällen darf der Veranstalter ausnahmsweise und nur für Zwecke der Einlasskontrolle Besucher und Mitwirkende nach dem Impfstatus befragen. Allerdings darf auch hier die Information nur in engem Rahmen gespeichert werden.
Selbst dort, wo der Gesetzgeber in der Fassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung vom 10.09.2021 ergänzt hat, dass der Arbeitgeber bei der Festlegung und der Umsetzung der Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen kann, lässt sich daraus gerade kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers hinsichtlich des ihm noch unbekannten Impfstatus seiner Arbeitnehmer ableiten. Der Gesetzgeber knüpft ausdrücklich an den ihm bereits bekannten Impfstatus an, sodass diese Information lediglich bei bereits erfolgter Kenntnis des Arbeitgebers verwendbar ist.
Warum ist der Gesetzgeber so zurückhaltend bei der Frage der Impfabfrage?
Der Gesetzgeber ist aufgrund der Beratungen des RKI der Auffassung, dass weder eine Impfpflicht noch die interne Vorgabe, nur Geimpfte und Genesene im Betrieb zu beschäftigen, ausreichend geeignet wären, die Pandemie zu bekämpfen. Schließlich können nachweislich auch Geimpfte erkranken und die Virenlast an Dritte und Ungeimpfte weitergeben. Auch wenn in einem Betrieb nur Geimpfte und Genesene arbeiten würden, müsste der Arbeitgeber daher weiterhin mit allgemeinen Hygienekonzepten und Maßnahmen wie Maskenpflicht, Abstandsregeln und Testangeboten sowie Home Office Möglichkeiten seiner Fürsorgepflicht nachkommen. Diese Maßnahmen sind demnach mindestens genauso effektiv, wenn nicht erheblich effektiver für den Schutz aller Arbeitnehmer, greifen aber erheblich weniger in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers ein als eine Abfrage des Impfstatus.
Können Arbeitgeber trotzdem nach dem Impfstatus fragen?
Der Wunsch der Arbeitgeber nach gezielten Lockerungen für Geimpfte und Genesene lässt dennoch viele Unternehmen fragen, ob nicht doch rechtlich belastbare Möglichkeiten denkbar sind, Abfragen des Impfstatus der Arbeitnehmer durchzuführen.
a) Einwilligungen der Arbeitnehmer
Die Versuche der Unternehmen, dies über Einwilligungen der Arbeitnehmer zu lösen, scheitern überwiegend an den strengen Anforderungen der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) an die Freiwilligkeit von Einwilligungen. Wegen des starken Machtgefälles zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist diese Freiwilligkeit nur unter eng begrenzten Sonderkonditionen sicherzustellen, die für die umfassende Abfrage des Impfstatus kaum umsetzbar erscheinen. Lediglich wenn der Arbeitnehmer seinen Impfstatus tatsächlich freiwillig und quasi ungefragt mitteilt (z.B. um einer gesetzlich geregelten Testpflicht für Ungeimpfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nach § 9 BayIfSMV zu entgehen oder für Zwecke der Organisation von Sitzplänen in Büros), darf der Arbeitgeber diese Mitteilung auch dokumentieren. Allerdings wird dann sehr genau im Einzelfall zu untersuchen sein, zu welchen Zwecken die dokumentierte Information anschließend verwendet werden darf.
b) Infektionsschutzkonzepte mit 2G Modell
Andere greifen den Gedanken des 2G Modells bei der Formulierung des Infektionsschutzkonzepts im Unternehmen auf und verwehren Ungeimpften z.B. den Zutritt zum Betriebsgeländer oder beschränken Test- und Maskenpflichten auf den ungeimpften Teil der Arbeitnehmer. Zur Umsetzung solcher Konzepte wird der Impfstatus bereits bei Betreten des Unternehmens kontrolliert.
Arbeitsrechtlich ist bei solchen Konzepten zu beachten, dass mangels gesetzlicher Impfpflicht denjenigen Arbeitnehmern, die sich weigern ein Zertifikat vorzuweisen, zumindest gleichwertige Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden müssen – anderenfalls muss der Arbeitgeber den geschuldeten Arbeitslohn zahlen, ohne überhaupt eine Gegenleistung zu erhalten. Sofern die Arbeitnehmer freiwillig ein Impfzertifikat vorlegen, um z.B. am Arbeitsplatz von der Maskenpflicht befreit zu sein, darf der Arbeitgeber nach unserer Auffassung diese Information auch aufnehmen. Um den Arbeitsablauf nicht ständig durch erneute Kontrollabfragen unterbrechen zu müssen, sollte es auch zulässig sein, eine befristete Dokumentation des Impfstatus zu klar begrenzten Verwendungszwecken zu führen.
c) Entgeltzahlung im Quarantänefall
Manche Unternehmen machen sich auch die Entscheidung des Gesetzgebers zu Nutze, dass er solchen Arbeitnehmern die Lohnfortzahlung verweigert, die z.B. aufgrund des Kontakts mit infizierten Personen als potentiell gefährdet unter Quarantäne gestellt werden müssen, obwohl sie eine Quarantäne durch eine empfohlene Impfung hätten vermeiden können (§ 56 Abs. 1 S. 3 InfSchG). Sie bieten den Arbeitnehmern an, durch den freiwilligen Nachweis des Impfzertifikats die Quarantäne zu verkürzen und damit die ununterbrochene Lohnzahlung sicherzustellen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg hat in einer Stellungnahme über die Lohnfortzahlung im Quarantäne-Fall vom 2. Oktober 2021 die Auffassung bestätigt, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall berechtigt sein sollte, den Impfstatus des jeweils betroffenen Arbeitnehmers aktiv zu erfragen.
d) Einschränkungen bei der Dokumentation des Impfstatus
Auch in einer Pandemie gelten die allgemeinen Prinzipien der Verarbeitung von personenbezogenen Daten weiter. Das gilt in besonderer Weise für die Prinzipien der Zweckbindung und der Datensparsamkeit gem. Art. 5 DSGVO. Nur weil Daten erfragt werden dürfen, ist noch lange nicht entschieden, wie lange und für welche Zwecke sie dann nach der Erhebung gespeichert und weiter verwendet werden dürfen.
Die besondere Sensibilität der Information über den Impfstatus spricht sehr dafür, dass diese Information grundsätzlich eher punktuell und streng anlassbezogen verwendet werden kann. Wer z.B. für Zwecke der Einlasskontrolle oder Befreiung von gesetzlichen Testpflichten den Impfstatus der Arbeitnehmer abfragt, wird diese Information wohl nicht für weitergehende Maßnahmen bei der Bürogestaltung oder Kantinenzeiten etc. nutzen können (vgl. auch Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht (BayLDA)). Mit dem Argument des ungestörten Betriebsablaufs wird man zwar begründen können, dass die Information, wer aufgrund seines nachgewiesenen Impfstatus von Maskenpflichten befreit ist, zumindest über einen Arbeitstag hinweg dokumentiert bleiben kann. Schon mit dem nächsten Arbeitstag stellt sich aber erneut die Frage nach der Datensparsamkeit und wer ganz sichergehen will, löscht die gespeicherten Informationen am Ende des Arbeitstages, an dem sie erhoben wurden.
Praxistipp:
Nach unserer Auffassung müssen der Pandemieschutz und die Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene den Unternehmen die Möglichkeit lassen in klar begründeten Fällen gezielte Abfragen des Impfstatus im Rahmen ihrer Infektionsschutzkonzepte durchzuführen. Allerdings empfehlen wir zugleich, aufgrund der umfassenden Bedenken sowohl von Datenschutzaufsichtsbehörden als auch von Arbeitnehmervertretern gegen eine allgemeine Abfrage des Impfstatus im Unternehmen bis auf weiteres von allgemeinen und unbegründeten Abfrageaktionen abzusehen. Zugleich ist ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, zu welchen zuvor definierten Zwecken die erfassten Informationen verwendet werden und wie lange diese Informationen gespeichert werden dürfen. Wer hier nicht sensibel und bedacht vorgeht, der riskiert neben empfindlichen Bußgeldern der Aufsichtsbehörden nicht zuletzt unerfreuliche Auseinandersetzungen mit den Arbeitnehmervertretern und die damit verbundenen Probleme in der Kommunikation gegenüber Kunden, Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit.