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Der EuGH hat in der Rechtssache C 44/21 entschieden. Ende Dezember 2020 hatte die CBH-Mandantin Phoenix Contact eine einstweilige Verfügung beantragt, die zum Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens durch das Landgericht München I wurde. Die Entscheidung hat das Potential, den patentrechtlichen Eilrechtschutz in Deutschland neu zu gestalten.
Das Vorabentscheidungsersuchen betraf die Frage, ob einstweilige Verfügungen wegen Patentverletzungen verweigert werden können, wenn der Rechtsbestand des Patents nicht über das Prüfungs- und Erteilungsverfahren hinaus gesonderte Bestätigung gefunden hat. Das Landgericht München I bejahte den Rechtsbestand des Verfügungspatents von Phoenix Contact (CBH München: Hannes Jacobsen, Paul Szynka; Maikowski&Ninnemann: Dr. Christoph Schröder) und ging auch von einer Verletzung aus. Indes sah sich das Landgericht durch die jüngere Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München am Erlass einer einstweiligen Verfügung gehindert.
Mit der Entscheidung „Elektrische Anschlussklemme“ hatte sich das Oberlandesgericht München nach vielen Jahren einer Sonderstellung einen restriktiveren Weg eingeschlagen und sich dabei der Praxis anderer Oberlandesgerichte angenähert. Weite Teile der Praxis sahen die neue Münchner Linie als auch gegenüber der seit langem etablierten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vergleichsweise „eng“ an und diskutierten intensiv, ob die Entscheidung des Oberlandesgerichts München einen „abschließenden“ Ausnahmekatalog begründete.
Es stellte sich somit die Frage, ob der Grundsatz, dass ein nach Sachprüfung erteiltes Patent, dass sich nach summarischer Prüfung als verletzt erweist, trotz zeitlicher Dringlichkeit nicht „verfügungstauglich“ ist, mit der Enforcement-Richtlinie vereinbar ist, die das – die wesentliche Ausnahmegruppe der deutschen Rechtsprechung bildende – Erfordernis einer kontradiktorischen Rechtsbestandsprüfung nicht kennt.
Der EuGH hat die Vorlagefrage nun entschieden und der 21. Zivilkammer wie folgt geantwortet:
Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, wonach der Erlass einstweiliger Maßnahmen wegen der Verletzung von Patenten grundsätzlich verweigert wird, wenn das in Rede stehende Patent nicht zumindest ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat.
Zum Vorlagebeschluss vom 19.01.2021 (21 O 16782/20): GRUR 2021, 466 – Rechtsbestand im einstweiligen Verfügungsverfahren (mit Anmerkung Kühnen)
GRUR 2021, 466 – Die Bedeutung der Patenterteilung für die Bestandsprognose im einstweiligen Rechtsschutz (Erwiderung von Pichlmaier)
Zum Urteil vom 28.04.2022: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=258493&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=209596